Die Graphothek besitzt auch einen Corinth

Aurich. In der ehemaligen Graphothek der Ostfriesischen Landschaft befindet sich so manche Arbeit bedeutender Künstler. Nachdem im letzten Monat eine Radierung von Pierre-Auguste Renoir vorgestellt wurde, ist es im Monat Februar eine Farblithographie von Lovis Corinth (1858 bis 1925), die in leuchtendem Rot eine Geschichte aus der Welt der Götter erzählt.

Göttererzählung in leuchtendem Rot: Corinths „Ganymed und der Adler“

Die hier gezeigte Graphik veranschaulicht die Sage des Hirtenknaben Ganymed. Zeus, verwandelt in Adlergestalt, entführt Ganymed auf den Olymp, wo er den Göttern fortan als Mundschenk dienen soll. Die Arbeit gehört zu einer Serie von acht Lithographien, die Corinth die
„Liebschaften des Zeus“ genannt hat.

Zeus war mit seiner Schwester Hera verheiratet, die eifersüchtig versuchte, die Liebschaften ihres Gatten zu überwachen. Dennoch unternahm Zeus zahllose Seitensprünge. Diese sind zu sehr beliebten Motiven der Bildenden Kunst geworden. In der Reihe, die Corinth aufgelegt hat, nähert er sich Alkmene, der Gattin des Amphitrion, in dessen Gestalt, als sich der wahre Gemahl auf einem Feldzug befindet. Als Faun beglückt Zeus die Antiope. Der Danae begegnet er als Goldregen, Kallisto trifft ihn als Artemis und Leda als Schwan. Bei Europa verwandelt er sich in einen Stier, bei Ganymed in einen Adler. Io begegnet er in Gestalt einer Wolke.

„Als Lovis Corinth (1858 bis 1925), einer der einflussreichsten Vertreter des Impressionismus und der Berliner Secession, diese Farblithographie gegen Ende seines Lebens verfertigte, hatte er sich schon seit einiger Zeit ausführlich mit der griechischen Mythologie befasst“, heißt es in einer Darstellung der Graphothek. „1919 beispielsweise war eine Sammlung von Kaltnadelradierungen zu antiken Legenden entstanden. Mythologische Sujets galten dem Künstler, der in der Zeit des Nationalsozialismus als entartet verfemt wurde, nicht zuletzt als Sinnbilder der politischen und gesellschaftlichen Situation kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs.“

Die Lithographie Corinths ist „Bild des Monats“ im Newsletter der Kulturagentur, die die Einrichtung betreut. Die Graphothek ist heute im „Sammlungszentrum für historisches ostfriesisches Kulturgut“ der Ostfriesischen Landschaft in der ehemaligen Blücherkaserne untergebracht.