Emden wird zum Machtzentrum

Emden. Es war eine große Zeit für Emden, das reich, berühmt und angesehen war. Das 17. Jahrhundert war für die Seehafenstadt – trotz des im nördlichen Europa tobenden 80-Jährigen Krieges – eine Zeit der Blüte. Das erläuterte Landeshistoriker Dr. Benjamin van der Linde (Meppen) vor vollem Haus im Rummel des Rathauses am Delft. 1820dieKUNST hatte eingeladen, und es war tatsächlich jeder Platz besetzt. Kein Wunder. Die Emder Stadtgeschichte ist immer ein Thema!

Benjamin van der Linde bei seinem Vortrag im Rummel des Rathauses. Bilder: Wolfgang Mauersberger

Der Landesherr verjagt. Die Stadt quasi autonom. Die Einwohnerzahl wachsend durch den Zuzug von Glaubensflüchtlingen. Das Gemeinwesen liegt sicher hinter dem Wall, auf dessen Bau die Niederländer gedrängt hatten. Weiterhin gibt es ein baumloses Vorfeld, das notfalls zur Feindabwehr auch noch geflutet werden kann. Die Einwohner müssen keine Furcht vor Mangel haben, denn der Hafen ist offen und stark befestigt. Zudem hat man den Festungsgürtel um Ostfriesland ausgebaut. Zwischen Emden und Leerort ist alles gesichert. In der Stadt selbst standen insgesamt 2000 Soldaten, darunter vor allem Holländer, die die rund 20 000 Menschen schützen.

Emden im Jahr 1679, wie es Caspar Bouttatas gesehen hat. Das Blatt befindet sich im Rijksmuseum in Amsterdam

Die Folge: Die Einwohner leben einen „soliden, bürgerlichen Lebensstil“, wie Benjamin van der Linde resümierte. „Man gönnte sich etwas.“ Dazu trug auch das niederländische Militär bei, das seinen Lebensstandard etablierte. Zu den Offizieren, das hatte der Referent recherchiert, gehörte auch Edzard van Uylenburgh, der in einem Haus an der Großen Straße / Ecke Burgstraße lebte. Uylenburgh sei deshalb erwähnenswert, sagte der Referent, weil er der Schwager des berühmten niederländischen Malers Rembrandt Harmensz van Rijn war. Dessen Frau war Saskia van Uylenburgh, Edzards Schwester.

Ein Versprechen, das sich nicht erfüllte: Enno Ludwig und Henriette Katharina von Oranien heirateten nicht. Auf diesem Kinderbildnis hält die junge Niederländerin einen Orangenzweig in der Hand – Zeichen für die Oranier. Im Hintergrund Burg

Auch der Blick von außen auf die Stadt war vorteilhaft. Reisende äußern sich überschwänglich, schildern in langen Berichten, was sie in Emden erleben: immer wieder erwähnt wird die Emder Rüstkammer, das damals ausgestattet war wie ein Kuriositätenkabinett. Gelobt wird auch die Sauberkeit in der Stadt. „Es war ein ruhiges Leben im Emden jener Zeit“, resümierte van der Linde. Es war aber auch ein geordnetes Leben in dieser Stadt, die zum Machtzentrum der Region wurde. Acht Ratsherren und vier Bürgermeister saßen im Rathaus. Dazu kamen die Vierziger als Vertreter der Bürgerschaft. Der eigentliche politische Kopf aber war Stadtsyndicus Johannes Althusius.

Die Karte von den vereinigten Frieslanden mit reichlichen Abbildungen und Stadtansichten verweist auf die engen Verbindungen zwischen West- und Ostfriesland

Zur Berühmtheit wurde Emden auch wegen der Aufnahme der Stadtansicht in Atlanten seit dem 16. Jahrhundert. Diese Stiche und Sammlungen wurden in Großauflagen kommerziell vertrieben und fanden immer ihren Markt. Aber auch Emden selbst betrieb Werbung. So beauftragte der Rat kurz nach der Fertigstellung des Walls den berühmten Stecher Nicolaus Geilkerk mit der Anfertigung einer Stadtansicht nach Anlage des Walls. Dafür zahlte man sündhaft kostspielige 45 Gulden.

Stadtansicht mit Erweiterung, umgeben vom Wall, von Joan Blaeu, 1649

Das Ende sei 1672 gekommen, erläuterte Benjamin van der Linde. „Es war ein Katastrophenjahr.“ Groningen vom Fürstbischof von Münster belagert, der Handel im Niedergang – un dann kam auch noch die Pest, die allein in Emden ein Viertel der Bevölkerung dahinraffte. „Die Zeiten waren nicht mehr rosig!“ Ein Projekt, das diesem politischen Wandel zum Opfer fiel, war das fest geplante Glockenspiel für den Rathausturm. Die wirtschaftliche Stärke der Stadt bricht ein. Der politische Blick richtet sich jetzt nicht mehr nach Westen, sondern nach Osten – in Richtung Preußen.

30 Jahre zuvor, 1619, sieht die Stadt noch anders auf: Claas Visscher hat in diesem Blatt das dicht gedrängte Häusermeer genau erfasst