Ein Abendvergnügen zum Berauschen

Emden. Es war ein grandioser Abend in der Johannes a Lasco Bibliothek. Ein tolles Orchester, ein einfühlsamer Dirigent, und zwei charismatische Solisten. Dazu ein Programm, das Wiener Klassik und Frühromantik harmonisch aneinanderschmiegte und verführerische Akzente setzte. Ein willkommener Gegenentwurf – wenn auch nur auf kurze Frist – zu einer Welt, die sich derzeit in so vielfältiger Weise höchst geschunden präsentiert.

Solisten des Abends in der Johannes a Lasco Bibliothek: Lena Neudauer und Matthias Kirschnereit mit dem Württembergischen Kammerorchester Heilbronn

Schon im Rondo von Schubert zeigte sich eine latente Heiterkeit auf der Basis eines mitreißenden Themas, das sich durch die Werkstruktur bewegte. Solistin Lena Neudauer (Violine) gestaltete es spritzig und souverän. Das Württembergische Kammerorchester Heilbronn erwies sich schon beim ersten Stück des Abends als wunderbar klangstarkes Ensemble und erinnerte so an die vielen Abende der Vergangenheit, an denen das Orchester im Neuen Theater für eindrucksvolle Vorstellungen von nachhaltiger Wirkung sorgte – sei es unter seinem Gründervater Jörg Faerber oder seinem Nachfolger Ruben Gazarian. Jetzt war es dessen Nachfolger Case Scaglione, der mit sehr leichter Hand, die gleichwohl energische Wirkung erzielte, die Leitung inne hatte.

Der zweite Solist war Matthias Kirschnereit, in Ostfriesland als künstlerischer Leiter der Gezeitenkonzerte wohlbekannt und durch sein charmantes Wesen allerorten wohlgelitten, der sich mit Haydns Konzert für Klavier und Orchester D-Dur in nachdrücklicher Weise vorstellte, mit dem Orchester auf spannungsvolle Tuchfühlung ging und für freudige Gefühle sorgte. Man fühlt sich einfach wohl, wenn der in Hamburg lebende und in Rostock lehrende Professor sich ans Klavier setzt. Das Haydn-Konzert war dabei ein Katalysator für immense Spielfreude, wobei die feinsinnige Kadenz eine besondere Erwähnung verdient, weil sie „in nuce“ das gesamte Musikstück enthielt und zugleich spiegelte.

Das Orchester stellte sich mit der viersätzigen Streichersinfonie von Felix Mendelssohn-Bartholdy vor, einem Jugendwerk des Komponisten, das mit berauschende Melodik prunkt und auf dem Weg zum Höhepunkt des Abends, Mendelssohns Konzert für Violine, Klavier und Streichorchester, eine konsequente Hinführung bedeutet.

Auch dieses abschließende Werk gehört in die Jugendphase, ein Doppelkonzert, das sich nahtlos in das durchdachte Abendprogramm einfügte. Geradezu lyrisch im Grundton entwickelt sich das Konzert im langsamen Adagio zu einem enormen Hörvergnügen – zumal wenn es derart ambitioniert umgesetzt wird. Auffallend dabei die dezente Zurückhaltung des Dirigenten, der ohne Attitüde den beiden Solisten das Feld überließ. Und die zogen technisch und musikalisch alle Fäden. Es gab großen Applaus – und eine Zugabe, etwas Beethoven, um das Feld der Wiener Klassik ganz abzustecken.

Und dann passierte etwas Schönes. Die Solisten waren mit Präsenten versehen, die Zugabe gespielt, da erhielt das Orchester – nunmehr allein auf der Bühne – einen enthusiastischen Sonderapplaus des Publikums. Eine freundliche Geste für ein Abendvergnügen zum Berauschen.