Nichts als Bücher

7. und letzter Teil

Emden.
Das Buch hat heute immer noch einen hohen Stellenwert. Daher sind Empfehlungen für bestimmten Lesestoff eine Leidenschaft der Mitglieder der „Gesellschaft der Freunde der Johannes a Lasco Bibliothek“. Vorstandsmitglied Klaus Frerichs (JaLB) sammelt diese zumeist kurzen Empfehlungen und veröffentlicht sie in regelmäßigen Abständen – als Tipp von Mitgliedern für Mitglieder. Da diese Empfehlungen ein höchst spannender und unterhaltsamer Gang durch die Literatur- und Sachbuchszene sind, sollen sie nun in der Vorweihnachtszeit einem größeren Kreis zugängig gemacht werden. Mitarbeiter der Johannes a Lasco Bibliothek (JaLB) schließen sich dem kleinen Projekt an.


Hans-Albin Jacob (Emden) empfiehlt: Anne Weber „Annette, ein Heldinnen-Epos“, Matthes & Seitz Berlin, ISBN 978-3-957-57845-7, 208 Seiten, 22 Euro

Nach den ersten Seiten wollte ich die Lektüre dieses Epos auf einen viel späteren Zeitpunkt verschieben, hab’s dann nach einer kurzen Unterhaltung mit Albert Riddermann doch nicht gemacht. Es hat mich dann immer stärker fasziniert. Es ist ein sehr politisches Buch über eine reale Frauenfigur, die fast das ganze 20. Jahrhundert durchlebt hat. Immer in Widerstandsbewegungen lebend, Gefängnis ertragend, das algerische Gesundheitswesen aufbauend. Ein wahres Epos!









Harald Groenewold (Emden) empfiehlt: John Kaag „Das Bücherhaus. Eine philosophische
Liebesgeschichte“, btb, ISBN 978-3-442-71889-4, 352 Seiten, 11 Euro

„Dieses Buch kann Ihr Leben verändern!“, das verspricht zumindest der Umschlag der Taschenbuchausgabe. Natürlich kann es das, wie es jedes Buch kann. Die versprochene Veränderung wird aber wohl weniger mit einem Knall, sondern eher auf leisen Sohlen daherkommen, wenn man bereit ist, sich auf die Geschichte einzulassen, und sich Zeit nimmt.Der Autor findet zufällig die in Vergessenheit geratene Bibliothek des amerikanischen Philosophen William Ernest Hocking und beschließt, von dieser Bibliothek zu retten, was zu retten ist. Für ihn ist es unfassbar, wie mit der Bibliothek umgegangen worden ist, die voller wertvoller Ausgaben ist. Er beginnt aber nicht nur, den Bestand zu sichten und, soweit es möglich ist, in Sicherheit zu bringen. Er beginnt in einzelnen Werken zu lesen, verliert sich in die Gedankenwelten verschiedener Philosophen und fragt sich immer wieder, was die Gedanken eigentlich mit ihm und seinem Leben zu tun haben.
Philosophie ist für ihn kein abstraktes Gedankengebäude. Die Lektüre versetzt ihn in Unruhe. Er beginnt, einzelnen Fragen, die zentrale Frage ist: „Ist das Leben lebenswert?“, intensiv nachzugehen, und lässt den Leser an seinem Entwicklungsprozess teilnehmen und bietet zugleich eine Philosophiegeschichte des
19. Jahrhunderts. Neben der philosophischen Liebesgeschichte enthält das Buch auch die Liebesgeschichte zweier Menschen. Kaag wird bei der Arbeit von seiner Kollegin Carol unterstützt. Aus der Arbeitsbeziehung wickelt sich eine Liebesbeziehung, die sich natürlich nicht ohne philosophische Schlenker entwickelt. Es ist also eine doppelte Liebesgeschichte. Daneben stellt sich dem Büchersammler natürlich die Frage: „Wenn sogar die Bibliothek eines bedeutenden Philosophen mit vielen wertvollen Ausgaben vergessen und dem Verfall preisgegeben wird, was wird dann einmal mit meiner passieren?“

Und noch ein Hörbuch

Klaus Frerichs (Emden) empfiehlt: Mariana Leky „Was man von hier aus sehen kann“, gelesen von Sandra Hüller, Verlag Tacheles!, 481 Minuten, zwischen 0 und 20 Euro

Es geschieht nicht oft, dass ein vorgelesenes Buch noch besser ist als ein sehr gut geschriebenes. Sandra Hüller wurde bereits viermal (2010, 2013, 2019 und 2020) bei der Kritikerumfrage von „Theater heute“ zur Schauspielerin des Jahres gewählt. Beim Hören hatte ich das Gefühl, dieses Buch sei genau für sie geschrieben worden. Die Geschichte spielt in einem Dorf des Westerwaldes, in dem alles auf wundersame Weise zusammenhängt. Dazu Sandra Hüller: „Der Roman ist so unterhaltsam und märchenhaft und von einer so großen Weisheit und Tiefe, dass ich unbedingt damit zu tun haben wollte. Es gibt ganz wenige Bücher bei denen mir das passiert.“

Und etwas für Musikfreunde

Dr. Michael Weichenhan (JaLB, Emden) empfiehlt: Dmitri Shostakovich „24 Preludes and Fugues Op. 87“, gespielt von Keith Jarrett; ECM New Series 1469/70, als MP3 14,99 Euro

Anlässlich des 200. Todestages von Johann Sebastian Bach 1950 komponierte Dmitri Schostakowitsch diese großartige Hommage an dessen „Wohltemperiertes Klavier“: Präludien und Fugen in allen Tonarten. Die künstlerische Meisterschaft des damals zwar weltbekannten, aber in Stalins Sowjetunion in ständiger Gefahr schwebenden Schostakowitsch, ist so groß, dass man sie zwar wahrnehmen kann, aber nicht muss. Dem Universum aus Klängen, das von spielerischer Naivität bis zu höchster Raffinesse reicht, das zuweilen ironisch oder nostalgisch auf große Texte der Musik Bezug nimmt, kann man sich auch einfach hingeben und sich ergreifen lassen. Ganz besonders, wenn der Jazz-Pianist Keith Jarrett seinen unwiderstehlich spontan wirkenden Klangzauber entfaltet.