Bleibendes Kompliment für die Bibliothek

Dokumentation der Eröffnungsrede von Professor Dr. Kestutis Daugirdas, wissenschaftlicher Vorstand, anlässlich der Ausstellung „Ver(WUND)ERungen“ von Klaus Frerichs in der Johannes a Lasco Bibliothek am 4. Februar 2024

Emden. „Bereits wenn man diesen altehrwürdigen Raum betritt, der vor bald dreißig Jahren zum neuen Leben erweckt wurde, merkt man sofort seine wundersame Verwandlung. Unter und neben den alten Büchern an den teilweise sehr alten Backsteinkolonnen haben sich markante moderne Kunstwerke eingefunden – sie tauchen den Raum in ein neues ästhetisches Lebensdeutungslicht.

Schauen und darüber reden: interessierte Betrachter der Ausstellungsobjekte gab es viele

Mit den vor Jahrhunderten erstarrten Formen mischen sich nun die ideell-visuellen Verarbeitungen der Gegenwart, die durch das individuell-kreative Prisma eines Künstlers gegangen sind und auf uns herabstrahlen. Auf diese einzigartige Weise fließt hier die reichhaltige Geschichte der Stadt Emden mit der ästhetischen Lebensdeutungsgeschichte eines wahrhaften Emder Urgewächses zusammen: Sie, lieber Herr Frerichs wurden nicht nur in Emden geboren, sondern haben hier nach ihrer vielschichtigen Studienzeit auch stolze 35 Jahre am Johannes Althusius-Gymnasium segensreich gewirkt.

Es war mir daher eine große Freude, als Sie vor etwa zwei Jahren auf mich zugegangen sind mit der Idee einer Ausstellung Ihrer Werke. Mich als Historiker faszinierte zum einen die von Ihnen anvisierte Möglichkeit, die Entstehung Ihres neuen Bilderzyklus in einem damit einhergehenden Gedankenaustausch zu dokumentieren und diesen in Auszügen zusammen mit den Bildern zu veröffentlichen. Als ich das Endergebnis in Form Ihrer jüngsten Publikation „Danse Macabre. Diskurs um einen entstehenden Gemäldezyklus“ dann in die Hände nahm, fühlte ich mich in meiner Vorfreude mehr als bestätigt. In dem Band spiegeln sich die Umstände und Zusammenhänge Ihrer Bildmotive und Symbolik, die ganz andere, weitere Deutungshorizonte eröffnen als dies bei einem bloß unmittelbaren ästhetischen Betrachten möglich wäre.

Er kann auch Natur: Arbeiten aus dem Atelier von Klaus Frerichs: Blick in eine Vitrine mit Vorzeichnung und Ausführung von Stillleben

Mich als Theologen haben Ihre Pläne zum zweiten mit der gewählten Thematik des Totentanzes sofort in ihren Bann gezogen – und auch hier haben Sie Wunderbares erbracht. Ihren neuen Bilderzyklus durchzieht eine höchst individuell durchdachte und angewandte religiöse Symbolik, die den faszinierenden Tiefen unserer menschlichen Existenz einen bleibenden Sinn abzugewinnen versucht – in dialektischer Verbindung mit der schmerzvollen Erfahrung der Endlichkeit.

In Hervorhebung unserer wunderbar schönen, rhythmisch tanzenden wie verletzlichen, ja hinfälligen Leiblichkeit bedienen Sie sich eines ganzen Repertoires aus dem reichhaltigen Fundus europäischer Kultur – Shakespeares Hamlet mit dem Schädel von Yorick taucht hier ebenso auf wie das Kreuz oder der christliche Dornenkranz. So ist eben Klaus Frerichs, ein europäisch verwurzelter Emder Ästhet.

Drittens – und das will ich im Rahmen unserer heutigen Sonntagsmatinée ebenso wenig vorenthalten – erfreute mich zu vernehmen, dass Sie, lieber Herr Frerichs, bei Ihrem neuen Bilderzyklus eiinige Impulse von unseren Aufführungen der barocken Musik empfangen und eingearbeitet haben. Ein größeres – und bleibendes – Kompliment hätten Sie der Johannes a Lasco Bibliothek als Kulturinstitution nicht machen können. …

Rund um das Enno-Grabmal ist der Zyklus „Danse Macabre“ von Klaus Frerichs aufgebaut

Heute wird freilich keine Barockmusik erklingen, sondern wir werden die bis weit in das 20. Jahrhundert hineinreichenden Kompositionen hören, welche die Thematik der Ausstellung auf eine moderne Art musikalisch entfalten. So wird uns der traumhaft tänzelnde Lebensrhythmus von Edward Grieg und Astor Piazzolla mit den Anleihen bei Franz Schubert und dem von Leonid Dorfman extra für Klavier bearbeiteten „Danse Macabre“ von Camille Saint-Saens begleiten – bis hin zum „Himmlischen Leben“ von Gustav Mahler.

Und so wollen wir nun alle hoffen, dass unser irdischer Tanz, so dunkel und düster er bisweilen für unser Empfinden aussehen und enden mag, seinen wunderbar rhythmischen Fortklang jenseits unserer Vorstellungskraft findet. …“