Als der Emder Wall Autos weichen sollte

Aurich. In den 70er Jahren projektierte man in Emden den Wallring. Dafür sollte das historische Verteidigungswerk „angeknabbert“ werden, um der besseren Verkehrsführung wegen einen Straßenzug zu gestalten. Dagegen bildete sich eine Bürgerinitiative, die erbitterten Widerstand gegen die Planungen leistete. Schließlich gelang es, den Wall unter Denkmalschutz zu stellen und den geplanten Teilabriss zu verhindern. – Diesen Raubbau an einem historischen Bauwerk hat Aiko Schmidt, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Ostfriesischen Landesmuseum, zum Thema eines Aufsatzes gemacht, der jetzt im neuen „Emder Jahrbuch 2022“ erschienen ist.

Stellten das aktuelle Emder Jahrbuch vor: Dr. Michael Hermann, Dr. Matthias Stenger, Dr. Paul Weßels, Dr. Klaas-Dieter Voß, Gregor Strelow und Professor Dr. Kestutis Daugirdas.

Doch das einzige wissenschaftliche Periodikum Ostfrieslands enthält ins seinem 102. Band noch mehr Emder Themen. Da geht es um die Geschichte der Emder Kunst zwischen 1960 und 2000, mit der sich Dr. Heiko Suhr (Wesel) beschäftigt. Im Mittelpunkt steht dabei das sogenannte Hoffmann-Gutachten, das seinerzeit heiß diskutiert wurde.

Dr. Bernd Kappelhoff thematisiert die Reformation in Ostfriesland. „Dabei geht er der Frage nach, wie es zur Bikonfessionalität und zur Entstehung der calvinistischen Stadtrepublik Emden kam“, schreibt der Leiter des Niedersächsischen Staatsarchivs – Abteilung Aurich, Dr. Michael Hermann, in einer Pressemitteilung. Kappelhoff sei zu dem Ergebnis gelangt, dass in der Region von Anfang an ein „theologisch-konfessioneller Wildwuchs“ vorgeherrscht habe und Emden dabei ein „eigenes Profil als zwinglianisch-reformierte Bekenntnisgemeinde entwickelte, während die Landesherrschaft „eher wie ein hilfloser Spielball fremder Kräfte wirkte“.

Auch die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Ostfriesischen Landesmuseum, Dr. Annette Kanzenbach, hat sich mit einem Beitrag beteiligt. Sie untersucht die Künstlerfamilie Coninxloo seit dem 16. Jahrhundert und stellt überlieferte Bildwerke im Einzelnen vor.

Der fünfte Hauptaufsatz stammt von Hermann selber und befasst sich mit der Gründung des Staatsarchivs Aurich von 150 Jahren (KiE berichtete, der Artikel ist sich unter dem Stichwort „Landesarchiv“ gespeichert). Mehrmals drohte dem Archiv eine Verlagerung nach Hannover oder Osnabrück, was durch „ostfriesischen Local-Patriotismus“ habe verhindert werden können. Aber der Beitrag umgreife auch den Gegensatz zwischen Aurich und Emden, schreibt Hermann. So habe der Emder Magistrat 1886 versucht, das Staatsarchiv in die Seehafenstadt zu holen, weil das Archiv „in Aurich eben bis jetzt nicht an der rechten Stelle gewesen sei“.

Weiterhin finden sich im Jahrbuch, das 400 Seiten zählt, vier kürzere Aufsätze, sogenannte Miszellen. Die Themen: der wieder aufgefundene „Zettelkasten“ von 1820dieKUNST (Berit Tottmann), Provenienz-Recherchen zu Objekten aus der früheren deutschen Kolonie China in vier ostfriesischen Museen. Dabei stellte sich heraus, dass die betreffenden Objekte keine Raubkunst darstellten, sondern lediglich Reiseandenken waren (Dr. Hajo Fröhlich, Beate Schreiber). Cornelia Ibbeken und Reinold Joosten beschäftigen sich mit den Flächenangaben (Diemath, Tagwerk) in der Flurnamen-Sammlung. Weiterhin wurden Untersuchungen zum Burgenbau des Hochmittelalters auf der ostfriesischen Halbinsel als „Indiz gesellschaftlicher Transformationsprozesse im niedersächsischen Küstenraum“ verschriftlicht. Autoren sind Thorsten Becker, Dr. Kirsten Hüser, Dr. Sonja König und Dr. Stefan Krabath.

Zudem gibt es 13 aktuelle Buchbesprechungen, eine Ostfriesische Fundchronik sowie Jahresberichte über Forschungsvorhaben der Ostfriesischen Landschaft und der „Kunst“. Am Band 102 des Emder Jahrbuchs 2022 mit seinen neun Beiträgen waren 14 Wissenschaftler beteiligt.

► Das Emder Jahrbuch wird von der Ostfriesischen Landschaft, der Gerhard ten Doornkaat Koolman-Stiftung, 1820dieKUNST, der Johannes a Lasco Bibliothek und dem Niedersächsischen Landesarchiv – Abteilung Aurich herausgegeben. Der Band kostet im Buchhandel 30 Euro. Die Auflage liegt bei 1000 Stück.