Über „Geber“ und „Nehmer“
Emden. Das Armenwesen in Emden beleuchtete ein Vortrag von Aiko Schmidt im Rahmen der Vortragsreihe von 1820dieKUNST im Rummel des Rathauses am Delft. Der wissenschaftliche Mitarbeiter im Ostfriesischen Landesmuseum Emden gilt als Kenner der lokalen Geschichte und warf einen Blick auf die frühen sozialen Verhältnisse in der Stadt, als das Armenwesen abhängig war von der Kirche. Denn erst Anfang der 1870er Jahre, so Schmidt, übernahm die Stadtverwaltung die Versorgung von Bedürftigen.
Einige dieser Diakonien haben sich bis heute erhalten. Schmidt führte insbesondere die Clementiner-Bruderschaft an, die aus vorreformatorischer Zeit stammt, und die Diakonie der Fremdlingen Armen, die sich – ebenso wie die Diakonie der Hussittenden Armen – im 16. Jahrhundert gründete. Die zwölf Fremdlingen-Diakone gingen immer montags durch die Stadt, sammelten Geld ein und gaben es an die Armen weiter. In dieser Tradition steht das Armenwesen bis heute, indem die Diakone von sogenannten „Gebern“ finanzielle Unterstützung für die „Nehmer“ erbitten.
Der Referent führte aber auch den Kornvorrat von 1557 an, der in Zeiten drohender Teuerung tonnenweise Getreide im Neuen Fleischhaus in der Brückstraße (Standort: dort, wo sich heute das Reisebüro Termöhlen befindet) einlagerte. Erstmals musste die Stadt 1572 auf diesen Vorrat zurückgreifen, der allen Bürgern – egal ob arm oder reich – zur Verfügung stand, führte Schmidt aus.
Einen Blick warf Schmidt aber auch auf die Gasthäuser, die die reformierte Kirchengemeinde im 16. Jahrhundert in der Stadt unterhielt. Sie waren als Unterkunft und für die Verpflegung von Bedürftigen eingerichtet worden.
Im 19. Jahrhundert waren auch Frauen, die allerdings „in bunter konfessioneller Mischung“ soziale Aufgaben übernahmen – etwa der Wöchnerinnen-Hilfsverein, der sich um schwangere ledige Mädchen und Frauen kümmerte oder der Verein der Diakonissen-Krankenpflege, der entstand, als 1860 das erste Emder Krankenhaus auf dem Burgplatz eingerichtet wurde.
In der Armenunterstützung seien allerdings die Juden in der Stadt noch stärker vertreten gewesen als die Reformierten. Sie hätten wesentlich mehr und spezifischere Hilfsangebote vorgehalten.